Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Themenfeld 2

Debatten über Voraussetzungen gelingender Vergemeinschaftung (Kleinmann, Pečar)

In der Frühen Neuzeit (16.-18. Jh.) gab es eine Verständigung über die Voraussetzungen gelingender Vergemeinschaftung. Hierbei spielten insbesondere Fragen konfessioneller Homogenität und religiöser „Reinheit“ eine zentrale Rolle. Der Grad der Verbindlichkeit religiöser Bekenntnisse gestaltete sich in den politischen Gemeinwesen sehr unterschiedlich, und die Heterogenitätserfahrungen wurden auf sehr vielfältige Art und Weise reflektiert und in der Praxis bewältigt: in Identitäts- und Fremdheitsdiskursen, in der politischen Normbildung, in Techniken der Identitätsbildung durch Abgrenzungsrituale ebenso wie in Techniken der Dissimulation und der religiösen „Ambiguität“ sowie in Versuchen, Verbindlichkeit über Normen der Gesellschaft jenseits religiöser Sinnzuschreibungen herzustellen.

Das 18. Jahrhundert rückt hier als eine Transformationsepoche in den Blick. Neben normative Anforderungen an den Untertanen traten Erfordernisse der Identifikation des Bürgers mit dem Gemeinwesen, ging es um die innere Bereitschaft, für das Gemeinwesen einzutreten und partikulare Interessen zurückzustellen. Dies unter Begriffe wie „Gemeingeist“, „Gemeinsinn“, „Bürgersinn“, „Patriotismus“, theoretisch begründet, normativ aufgewertet und als ideelle Metakategorie für den Zusammenhalt der bürgerlichen Gesellschaft verstanden.

Untersuchenswert sind sowohl die theoretischen Begründungen der Quellen und Wirkungen von „Gemeinsinn“, als auch vor allem konkrete Handlungsfelder, von Selbstverwaltung und Ehrenamt über differente Formen von Wohltätigkeit bis hin zur militärischen Wehrhaftigkeit, welche in der liberalen Theorie des 19. Jh. in der Bereitschaft zum „Tod fürs Vaterland“ als höchste Form der Bürgertugend bewertet und als Beweis ultimativer Verbindlichkeit angesehen wurde. Für die Gegenwart stellt sich die Frage nach Versprechen und Verzeihen als Modi der Generierung und Kontinuierung von Verbindlichkeit unter den Bedingungen von Pluralität und Ungewissheit politischer Handlungsfolgen - Versprechen als Modus der Handlungsmobilisierung und Verzeihen als Modus des Umgangs mit Fehlschlägen. Beides soll theoretisch und exemplarisch erkundet werden.

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