Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Sommersemester 2020

Germanistik

Prof. Dr. Elisabeth Décultot

Die Erfindung der Landschaft. Natur in Text und Bild, 1750-1850 (Vorlesung)

Als Erfahrungsgegenstand und als ästhetisches Konstrukt avanciert die Landschaft mit dem 18. und 19. Jahrhundert zu einer zentralen Kategorie der Moderne. Die Landschaftsmalerei, die in den akademischen Theorien der frühen Neuzeit als eine minderwertige Gattung betrachtet worden war, wird an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zum Inbegriff des Modernen erklärt. In der Literatur zeichnet sich ein neues Interesse für die Landschaftsbeschreibung ab, das bald in eine theoretische Reflexion über den Landschaftsbegriff mündet: Was genau macht die Landschaftserfahrung aus? Kann Landschaft ohne das Auge eines Betrachters existieren? Was unterscheidet Landschaft von Natur? Im Rahmen der Vorlesung sollen die vielfältigen Antworten analysiert werden, die zwischen 1750 und 1850 sowohl von Schriftstellern (insbesondere Herder, Lessing, Goethe, Tieck, Novalis, August Wilhelm und Friedrich Schlegel) als auch von Philosophen (Schelling) und Malern (Philipp Otto Runge, Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich) diesen Fragen gegeben wurden.

Genie. Wandlungen eines Grundbegriffs des 18. Jahrhunderts (Seminar)

Der Terminus „Genie“ kann als eine Erfindung der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts betrachtet werden. Zwar hatte eine ganze Riege deutscher Autoren, darunter Leibniz, Wolff, Gottsched, Bodmer, Breitinger und Baumgarten, den Geniegedanken zuvor schon vereinzelt thematisiert und dabei auf verschiedene deutsche, französische und lateinische Termini (darunter „ingenium“, „genius“, „Witz“ und „génie“) zurückgegriffen. Doch erst mit Autoren wie Sulzer, Herder und Goethe entfaltet sich eine Diskussion, die den gesamten Bereich der Künste (darunter insbesondere Literatur, Malerei und Musik) ergreift: Ist Genie eine angeborene oder erlernbare, eine universelle oder nur bestimmten Menschen vorbehaltene Eigenschaft? Zeichnet sich Genie durch außergewöhnliche rationale Fähigkeiten oder vielmehr durch ein ungewöhnliches Empfindungsvermögen aus? Ziel des Seminars ist es, diese Diskussionen durch das lange 18. Jahrhundert hindurch zu verfolgen und damit die Entstehungsgeschichte eines Grundbegriffs der Moderne zu beleuchten.

Klassik. Zur Entstehungsgeschichte und Aktualität eines Grundbegriffs der Literaturwissenschaft (Seminar)

Unter dem Prädikat „Klassik“ pflegt man die Epoche zu verstehen, die sich – europaweit betrachtet – vom ausgehenden 17. Jh. bis zum Anfang des 19. Jh., also von dem französischen „classicisme“ bis zur „Weimarer Klassik“ erstreckt und – u.a. im Zuge der Ausgrabungen in Herculaneum (ab 1738) und in Pompei (ab 1763) – von einem regen Interesse für die antike Kultur geprägt ist. Die in dieser Periode entstandenen kunsttheoretischen Ansichten, die unter die Kategorie des „Klassischen“ zusammengefasst wurden, zeichnen sich eigentlich durch eine auffallende Heterogenität aus. Dies gilt sowohl für die Frage der Naturnachahmung als auch für diejenige der Vorbildlichkeit der Antike in Kunstfragen überhaupt. Gegenstand des Seminars ist es, die vielfältigen Begriffsbestimmungen zu analysieren, die mit dem Terminus „Klassik“ verbunden sind und damit die Entstehungsgeschichte und Aktualität eines Grundbegriffs der Literaturwissenschaft zu hinterfragen.

Prof. Dr. Daniel Fulda

Information demnächst verfügbar.

Geschichte

Prof. Dr. Yvonne Kleinmann

Big Data im Imperium. Wie das Russische Reich Wissen über seine Bevölkerung generierte und politische verwertete (18. Jh. bis 1917)

Die Forschung hat sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie und aus welchen Gründen das Russische Reich (ebenso wie andere Imperien) auseinanderbrach. In jüngerer Zeit haben einige WissenschaftlerInnen auch untersucht, welche Faktoren dazu beitrugen, dass es mehr als 200 Jahre Bestand hatte. Bislang kaum erforscht ist indessen die Frage, wie die Reichsverwaltung angesichts stetiger territorialer Expansion und politischer Umbrüche Daten über die sozial, ethnisch und religiös heterogene Bevölkerung sammelte. Kurz: Wie lernte das Reich sich selbst kennen? Und was folgte daraus?
Die Vorlesung beleuchtet diese Fragen aus wissensgeschichtlicher Perspektive, das heißt, Wissen wird nicht als ein fester Bestand betrachtet, sondern als etwas, das von bestimmten AkteurInnen selektiv komponiert, kommuniziert und verwertet wird. Deshalb interessiert besonders, wer für die Verwaltung des Russischen Reiches Daten über unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sammelte – Bürokraten, Wissenschaftler, lokale Eliten etc. –, wer Zugang zu diesen Daten hatte und wie diese in Politik umgesetzt wurden.
Unter Daten sind ganz unterschiedliche Quellen zu verstehen: Reiseaufzeichnungen, Expeditionsberichte, statistische Erhebungen, ethnographische Studien, Fachgutachten etc.

Forschungskolloquium. Osteuropâische Geschichte

Prof. Dr. Andreas Pečar

Vorlesungsfreies Semester

Prof. Dr. Patrick Wagner

Unfreie Arbeit in Vormoderne und Moderne (Seminar)

Über unfreie Arbeit zirkulieren drei Großerzählungen. Erstens wird behauptet, in früheren Gesellschaften sei Arbeit in Formen wie Sklaverei oder Leibeigenschaft „unfrei“ gewesen, aber in modernen kapitalistischen Gesellschaften beruhe sie auf der Freiheit der Arbeitenden. Hieraus folgt eine Erzählung über Emanzipation durch modernisierende Kräfte wie Protestantismus, Aufklärung, Märkte und Demokratie. Dem könnte man zweitens den Gewaltcharakter von Arbeitsbeziehungen gerade in der Moderne entgegenhalten, etwa in kolonialen Kontexten. Drittens haben einerseits Gruppen und Institutionen, die von der unfreien Arbeit profitierten, diverse Legitimationen (etwa ökonomische, religiöse oder andere Vorstellungen „natürlicher“ Ungleichheit von Menschen) erdacht, andererseits Gruppen, die bestimmte Formen unfreier Arbeit ablehnten, ähnlich diverse Gegenargumente formuliert.
Vor diesem Hintergrund sollen im Seminar einerseits die jeweiligen Funktionslogiken unfreier Arbeit als auch die Prozesse untersucht werden, die zu ihrer Umgestaltung, Modernisierung und – teilweise – zu ihrer Abschaffung beigetragen haben. Wir werden uns dabei auf vier Beispiele konzentrieren: Die mitteleuropäische Leibeigenschaft der Frühen Neuzeit, die amerikanische Plantagensklaverei, die Einschließung der Armen und Arbeitslosen in geschlossenen Institutionen des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die in manchen Gesellschaften der „Dritten Welt“ bis heute andauernden Institutionen der Schuldknechtschaft.
Ihre Modulleistung erfolgt in Form einer Hausarbeit; als Studienleistungen erwarten wir von Ihnen die regelmäßige Vorbereitung der Seminarsitzungen gemäß der Arbeitsaufträge sowie die Vorbereitung einer dieser Sitzungen.
Als Einführung empfehlen wir: Tom Brass & Marcel van der Linden, Free and Unfree Labour: The Debate Continues, New York 1997

Deutsche Geschichte Nach dem Boom (1980 bis 2000)

Aller Voraussicht nach werden die Lehrveranstaltungen des Sommersemesters im Fach Geschichte ab dem 20. April zunächst in digitaler Form starten. Ob wir zu einem späteren Zeitpunkt zu Präsenzveranstaltungen übergehen können, steht noch in den Sternen.
Für diese Vorlesung bedeutet das konkret - Stand heute - Folgendes:
1. Die Vorlesung startet am Donnerstag, den 23. April 2020, in der Form, dass die Inhalte der ersten Sitzung ab 9 Uhr im Dateiordner dieser Vorlesung bei StudIP für Sie bereitstehen werden - und zwar in Form von MP4 Dateien, die im Kern in Powerpoint gefertigte Folien plus Tonspur enthalten.
2. In dieser Weise wird es dann zunächst weitergehen; Sie finden jeweils am Vorlesungstag ab 9 Uhr entsprechende Dateien in StudIP, häufig ergänzt durch Dateien mit weiterführender Lektüre.
3. Um ein Minimum an Interaktion einzubauen, Ihnen also das Stellen von Fragen, das Formulieren von Kommentaren oder kritischen Meinungen zu ermöglichen, werde ich versuchen, eine Form von Chat/Blog oder Ähnlichem zu ermöglichen. Da das Rechenzentrum noch an entsprechenden Möglichkeiten arbeitet, kann ich Ihnen die Form der Interaktion erst zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen. Jedenfalls bitte ich Sie schon einmal, sich die Zeit zwischen 11.15 und 11.45 für eine solche Interaktion freizuhalten. Wären wir im Normalmodus, dann säßen Sie zu dieser Zeit ja auch im Hörsaal.
4. Diese Vorlesung ist ein Angebot exklusiv für Sie als eingeschriebene Studierende, ich produziere die Dateien für Sie, nicht für eine breitere Öffentlichkeit. Beachten Sie daher bitte, dass Sie die Dateien nicht weiterverbreiten dürfen.
Zum Inhalt der Vorlesung:
Am Anfang der 1980er Jahre sahen sich die Regierungen beider deutscher Staaten massiven ökonomischen Problemen einerseits, wachsenden Zweifeln an den die politischen Ordnungen bis dahin (mit) legitimierenden Fortschrittsversprechen andererseits gegenüber. Während aber das politische System der Bundesrepublik in der Lage war, diese Krise durch Reformen und einen Wandel der politischen Kultur zu entschärfen, ging das SED-Regime 1989/90 unter. Im folgenden Jahrzehnt wurde Ostdeutschland nicht nur politisch wie wirtschaftlich in die Bundesrepublik integriert, sondern erlebte zugleich einen – von der zeitgenössischen Sozialwissenschaft als „Transformation“ bezeichneten – tiefgreifenden Strukturwandel aller Lebensbereiche, der die Erfahrung „der Ostdeutschen“ bis heute prägt. Die Dramatik dieses Geschehen lässt leicht übersehen, dass sich zum einen „der Westen“, an den Ostdeutschland 1990 angeschlossen wurde, zu diesem Zeitpunkt bereits seinerseits seit über zehn Jahren in einem tiefgreifenden Wandel befand und zum anderen die Transformation östlich der Elbe von einer „Kotransformation“ der „alten Bundesrepublik“ gefolgt wurde, die schließlich unter der rot-grünen Regierung nach 1998 in eine grundlegende Neuformatierung der Beziehungen von Staat, Märkten und Individuen (nun verstanden als lauter kleine Unternehmer ihrer selbst) führte.
Die Vorlesung bietet in dieser Perspektiven einen Überblick über die (vor allem politische) Geschichte der deutschen Gesellschaft(en) zwischen etwa 1980 und 2000 und erörtert zugleich wichtige Interpretationsangebote der Forschung.
Als Studienleistung für jene Module, denen die Vorlesung zugeordnet ist, verfassen Sie jeweils zu einem der Vorlesungsthemen einen problemorientierten Essay von etwa 10.000 Zeichen.
Für Lehramtsstudierende, die im Herbst 2020 ihre Staatsexamensklausur im Bereich Zeitgeschichte schreiben wollen, kann die Vorlesung zu deren systematischen Vorbereitung dienen.
Zur Vorbereitung empfehle ich Ihnen: Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, 3. Auflage Göttingen 2012 und Charles S. Maier, Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, Frankfurt am Main 1997

Philosophie

Prof. Dr. Heiner Klemme

Vorlesungsfreies Semester

Dr. John Walsh

Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (Seminar)

Die „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ ist sowohl einer der Haupttexte von Immanuel Kants praktischer Philosophie als auch eines der wichtigsten moralphilosophischen Werke in der Geschichte der Philosophie. Hier stellt Kant entscheidende Begriffe wie Autonomie, Pflicht, Verbindlichkeit, usw. dar. Diese Begriffe und Kants Ausarbeitung des Fundaments einer deontologischen Ethik ist auch von systematischer Bedeutung. Ziel des Seminars ist es, eine historische und systematische Annäherung an die Grundbegriffe und Hauptargumente des Texts zu ermöglichen.

Theologie

Prof. Dr. Jörg Dierken

Jürgen Habermas: Glauben und Wissen (Seminar)

Jürgen Habermas, dessen 90. Geburtstag kürzlich mit breitem Medienecho gefeiert wurde, ist der international einflussreichste deutsche Philosoph der Gegenwart. Für sein Denken stehen Stichworte wie ‚Kommunikatives Handeln‘, ‚Diskursethik‘ und ‚Nachmetaphysisches Denken‘. Nachdem der junge Habermas die These vertreten hat, dass die ‚bannende Macht des Heiligen‘ in die ‚bindende Kraft von Gründen‘ überführt worden sei, sah der ältere Habermas in Religion(en) wichtige Widerstandspotentiale gegenüber einer ‚entgleisenden‘ Moderne. Religiöse Gehalte gehörten danach auch im heutigen, ‚postsäkularen‘ Zeitalter in die Öffentlichkeit – und seien zugleich in das Idiom diskursfähiger Argumente zu übersetzen. Offen blieb dabei, ob und inwieweit Religion auch heute eine gehaltvolle Gestalt der Vernunft ist – oder ob sie im Letzten opak bleibt und allenfalls eine eindringliche Artikulation des Humanen ist. Nun hat Habermas gerade eine voluminöse Geschichte der Philosophie vorgelegt (über 1700 S.), deren Leitfaden die spannungsvolle Thematik von „Glauben und Wissen“ ist. Das Buch soll nicht zuletzt seine Position genealogisch plausibilisieren. Neben umfangreichen Darlegungen zu zentralen Stationen der Geschichte von Theologie und Philosophie bietet das Buch daher perspektivische Schneisen, die Habermas‘ eigenes Denken erhellen. An ihnen entlang soll das Werk im Seminar in Auszügen gelesen, erschlossen und diskutiert werden.

Hauptthemen der Materialethik (Vorlesung)

Die Vorlesung behandelt exemplarische Themenfelder der materialen oder angewandten Ethik. Dabei wird ein Bogen geschlagen, der von den umfassenden gesellschaftlichen Ordnungen bis hin zum individuellen Leben des Menschen als leibliches Subjekt reicht. Dabei kommen Themen zur Sprache wie: Staat und Politik, Recht und Religion, Kirchen und Zivilgesellschaft, sozialdiakonische Institutionen, Wirtschaft unter den Bedingungen von Globalisierung und Finanzkrise, Technik, Formen des personalen Zusammenlebens von Geschlechtern und Generationen, demographischer Wandel, Fragen der Medizinethik am Anfang und Ende des Lebens u.a.m.
Ein Problem gegenwärtiger Ethik liegt darin, dass sie in separate Teile zu zerfallen scheint. Auf der einen Seite stehen subtile Erörterungen ethischer Denkfiguren, zumeist in Auseinandersetzung mit Argumenten aus klassischen Traditionen. Auf der anderen Seite liegen die Bereiche der sog. angewandten Ethik, deren Dynamik von den rasanten Entwicklungen in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft bestimmt wird und zu Spezialdiskursen führt. Ein Ziel der Vorlesung liegt darin, zwischen diesen beiden Teilen Verbindungen herzustellen, indem wechselseitig innere Bezüge beleuchtet werden. Deshalb wird die Vorlesung immer auch wirkmächtige Konzepte moderner Ethik aus Philosophie und Theologie heranziehen exemplarisch auf ihre Bedeutung für materialethische Fragen abklopfen.

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