Fabian Schubert
Fabian Schubert studierte Geschichte/Italianistik im Bachelor (2013) und Geschichte im Master (2017) an der Universität Halle-Wittenberg. In seiner Abschlussarbeit setzte er sich mit protoindustriellen Produktionswesen und demographischen Mustern aus mikrohistorischer Perspektive auseinander.. Während seines Studiums arbeitete er als wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Dr. Georg Fertig am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (2012–2015), beim DFG-Projekt »Autokratie oder konsensorientiertes Regiment? Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1758-1817) und seine Regierung aus dem Kabinett« bei Prof. Dr. Andreas Pečar und Dr. Paul Beckus (2016) und als wissenschaftliche Hilfskraft beim Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung (2016). Nach dem Studium arbeitete er an der Ausstellung und dem Ausstellungskatalog »Der Fürst in seiner Stadt: Leopold Friedrich Franz und Dessau« zusammen mit Reinhard Melzer, Dr. Frank Kreißler, Dr. Andreas Erb, Prof. Dr. Andreas Pečar und Dr. Paul Beckus (2017). 2018 beschäftigte sich Fabian Schubert schließlich mit der Aufarbeitung der hundertjährigen Geschichte der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz (finanziert vom Land Sachsen-Anhalt unter Leitung von Dr. Wolfgang Savelsberg). Seine Forschungsinteressen gelten der Sozial-, Wirtschafts-, Kultur-, und Adelsgeschichte des 17. bis 20. Jahrhunderts mit regionalen Schwerpunkten der Geschichte Anhalts, des Eichfeldes und Preußens. Seit 2018 ist er Stipendiat der Internationalen Graduiertenschule »Verbindlichkeit von Normen der Vergesellschaftung«
Publikationen
Qualifikationsarbeiten
Bachelor Thesis: Eine Analyse ökonomischer Faktoren als Spiegel der Lebensbedingungen in der Residenzstadt Dessau(Halle/Dessau 2013), Betreuer: Prof. Dr. Georg Fertig, Prof. Dr. Klaus Ries.
Master Thesis: Bickenriede 1770-1860: Mikrogeschichte und Historische Demographie im Eichsfeld in protoindustrieller Zeit(Halle 2017), Betreuer: Prof. Dr. Georg Fertig, Prof. Dr. Manfred Hettling.
Doktorarbeit (laufend): Familienbande? Dynastische und natürliche Verwandtschaft und die Karrierewege der Sprösslinge aus dem Hause Anhalt-Dessau in der preußischen Armee (1740-1817)(2018–2021), Betreuer: Prof. Dr. Andreas Pečar (Doktorvater), Prof. Dr. Holger Zaunstöck.
Monographien
100 Jahre Kulturstiftung Dessau-Wörlitz: Eine Chronik(Dessau-Roßlau erscheint im März 2019).
Aufsätze
»Die Geschichte der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz von ihrer Gründung 1918 bis zur Ernennung zur Welterbestätte im Jahr 2000«, in: Kulturstiftung Dessau-Wörlitz (Hg.): Kulturstiftung Dessau-Wörlitz: Zur 100-Jahr-Feier (Dessau 2018), S. 2–18.
»Der Ehrenfriedhof in Dessau - Memoriale und Gedenkkultur seit 1914«, Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde27 (2018), S. 99–130.
Kleinere Beiträge
»Dessau - 800 Jahre Geschichte(n)«, Amtsblatt Stadt Dessau-Roßlau7/Nr. 11 (2013).
Objektbeschreibungen in: Andreas Pečarund Frank Kreißler (Hg.):Der Fürst in seiner Stadt: Leopold Friedrich Franz und Dessau (Petersberg 2017).
»Tagungsbericht: ›Unser Franz‹: Das Bild des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau im Urteil der Nachwelt (1817–1945): 7. Tag der sachsen-anhaltischen Landesgeschichte und zugleich Jahrestagung der Dessau-Wörlitz-Kommission« (Dessau-Roßlau 21.10.2017), H-Soz-Kult (12.12.2017), <URL: https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-7439>.
Forschungsvorhaben
Forschungsstand
Die Monarchen und Fürsten Europas lebten nur selten monogam. Mätressen und durch morganatische Ehen gleichsam institutionalisierte Nebenfrauen waren an den europäischen Höfen eher Regel als Ausnahme. Die Folge dieser Lebensführung waren Nachkommen mit unterschiedlichem Rechtsstatus. Kinder aus der regulären Ehe zählten zu den Mitgliedern der Dynastie, die illegitimen Nachkommen rechnete man zur „natürlichen Verwandtschaft“ der regierenden Fürsten. Das Nebeneinander legitimer und illegitimer Nachkommen dürfte zu einem wesentlichen Strukturmerkmal des europäischen Hochadels zählen – zugleich lässt sich erst in kürzerer Vergangenheit das Interesse der Forschung an diesem Thema beobachten
Zwar gab es bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert Arbeiten zu illegitimen adligen Nachkommen, doch mangelte es noch an der sachlichen Analyse der Lebenssituation der Bastarde. Erst mit der Öffnung der Geschichtswissenschaft für sozialgeschichtliche Fragestellungen war die Möglichkeit zur Erforschung außerehelichen Sexualität gegeben Der Interessenlage der Sozialgeschichte seit den 1970er Jahren war es aber geschuldet, das sich vornehmlich auf die »unteren« Schichten, also Bauern, Bürger oder hausindustrielle Bevölkerung konzentriert wurde. Erst die Hinwendung zu historisch-anthropologischen sowie kulturgeschichtlichen Themen ermöglichte einen Perspektivwechsel auch in der Illegitimitätsforschung. Fragen der Lebens- und Verhaltensweisen von Individuen rückten in den Fokus Nicht mehr dem sozialen Ganzen, sondern dem Menschen und seine Motivationen wurden zunehmend Bedeutung zugemessen. Damit verbunden war die die »Wiederentdeckung« des Adels in der Geschichtswissenschaft. Der Blick richtete sich hier allerdings hinsichtlich der Illegitimität auf Mätressen als potentielle Mütter am Hofe. Dabei ist die Erforschung illegitimer Nachkommen des Hochadels von Relevanz. Im Vergleich zu illegitimen Nachkommen anderer sozialer Schichten unterlagen sie einem anderen gesellschaftlichen Normgefüge. Sie konnten Karriere machen, sei es im kirchlichen Bereich oder durch die Übernahme hoher Offiziersränge. Dennoch hat sich die historische Adelsforschung diesem Themenfeld erst seit wenigen Jahren angenommen.
Untersuchungsvorhaben
In meinen Projekt möchte ich nicht nur natürliche männliche Nachkommen sondern auch die dynastische Verwandtschaft in den Blick nehmen und auch deren Karrierewege in der preußischen Armee verfolgen. Der Untersuchungszeitraum wird dabei das 18. und frühe 19. Jahrhundert sein. Das soll am Beispiel Anhalt-Dessaus geschehen. Das Beispiel Anhalt-Dessau ist aus mehreren Gründen geeignet für eine solche Untersuchung. Zum einen herrschte hier seit Leopold I. - also seit dem frühen 18. Jahrhundert - eine ausgeprägte Kultur von Nebenfrauen vor. Er selbst heiratete eine bürgerliche Frau und pflegte außerdem eine außereheliche Beziehung. Durch seinen guten Beziehungen zum Kaiser aber auch zum preußischen Herrscher gelang es ihm seine bürgerliche Frau, eine Apothekertochter aus Dessau, in den Reichsfürstenstand mit allen Privilegien erheben zu lassen. Er selbst zeugte fünf Söhne. Sein Erstgeborener Wilhelm Gustav tat es ihm gleich, obwohl Leopold die nicht standesgemäße Ehe seines Sohnes missbilligte. Andere Söhne heirateten standesgemäß. Sowohl den legitimen wie illegitimen Nachkommen gelang es aber Karriere in der preußischen Armee zu machen. Die Möglichkeit zur Karriere lag sicherlich an den guten Beziehungen die zwischen den Hohenzollern und Askaniern schon seit Leopolds Vater bestanden. Seit der Regierungszeit Johann Georgs II. (1660-1693) standen die Fürsten von Anhalt-Dessau bis zu Beginn der Regierung des Fürsten Leopolds III. Friedrich Franz (1758-1817) – also vier regierende Fürsten nacheinander –kontinuierlich in Diensten der preußischen Kurfürsten beziehungsweise Könige. Obwohl der letzte, also Franz, seine Stellung in der preußischen Armee bereits kurz nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges aufgab, blieben doch einige seiner Familienmitglieder – seien es legitime Angehörige des Hauses Anhalt-Dessau oder natürliche (illegitime) Verwandte – in Diensten der preußischen Armee.
Übersicht der zu untersuchenden Personen
Eine Konzentration auf die legitimen wie illegitimen Nachkommen der Fürsten von Anhalt-Dessau in den Diensten der preußischen Könige erlaubt es, das Verhältnis zwischen dynastischen und natürlichen Nachfahren der Fürsten von unterschiedlichen Perspektiven in den Blick zu nehmen.
Welchen Bedingungen waren die natürlichen Nachkommen in Anhalt-Dessau erstens unterworfen? Dazu wird nach dem Verhältnis der dynastischen und natürlichen Nachkommen untereinander zu fragen sein. Welche Konflikte wurden um Rang, Status, Einfluss oder Geld ausgetragen? Außerdem stellt sich hinsichtlich ihrer Stellung in der preußischen Armee die Frage nach ihren Handlungsmöglichkeiten und wie sich diese zu nutzen vermochten. Welche Rolle spielten die anhalt-dessauischen Offiziere also in der preußischen Armee für die politische Kommunikation zwischen Potsdam und Dessau? Lassen sich bei dieser politischen Brückenfunktion der Offiziere Unterschiede ausmachen, die korrespondieren mit deren geburtsständischem Status? Zudem bietet die Dienstbarkeit der dynastischen und natürlichen Nachfahren der Fürsten von Anhalt-Dessau in der preußischen Armee die Möglichkeit, auch nach der Außenperspektive zu fragen: Wie verfuhr Friedrich II. mit den genannten Offizieren? Unterschied er dabei zwischen den Mitgliedern des Hauses Anhalt-Dessau und den natürlichen Nachkommen der Fürsten? Machten die einen schneller Karriere als die anderen, wurden sie besser besoldet oder in anderer Weise (materiell oder symbolisch) mit größeren Gnaden versehen? Und schlug sich Friedrichs II. offen artikulierte Ablehnung des Mätressenwesens an den europäischen Höfen nieder in seinem Verhalten gegenüber den natürlichen Nachkommen des Hauses Anhalt-Dessau?
Zudem hat sich in der Forschung mit Blick auf Anhalt-Dessau ein Bild der regierenden Fürsten etabliert, was es zu hinterfragen gilt. Fürst Leopold I. wurde aufgrund seiner Vertrauensstellung bei Friedrich Wilhelm I. zu einem der einflussreichsten Amtsträger in Preußen und zum wichtigsten Kopf innerhalb des preußischen Militärs. Da Friedrich II. aber nach seinem Amtsantritt danach trachtete, möglichst schnell eigene Meriten auf dem Feld der Kriegsführung zu erwerben, betrachtete er den „Alten Dessauer“ als Konkurrenz und versuchte, dessen Einfluss in der Armee zu begrenzen. Gleichwohl galten beide Fürsten als uneingeschränkt preußenfreundlich und loyal zu ihren jeweiligen Dienstherren.
Sofern Fürst Franz von Anhalt-Dessau mit Blick auf Preußen untersucht wird, ist der Tenor ein anderer. Da dieser nur kurz nach Beginn des Siebenjährigen Krieges – im Oktober 1757 – aus preußischen Diensten ausschied und Friedrich II. Anhalt-Dessau anschließend wie ein feindliches okkupiertes Territorium traktierte, wurde Franz in der Forschung zum Kritiker der friderizianischen Machtpolitik und Preußens generell. Daraus wurde von Erhard Hirsch ein Bild Davids gegen Goliath entworfen: Auf der eine Seite stand der militaristisch-expansive Monarch Friedrich II., der Anhalt-Dessau zu Kontributionen zwang. Auf der anderen Seite erschuf Fürst Franz insbesondere mit der Erbauung der Wörlitzer Anlagen ein „Friedensreich“ und einen aufgeklärten Musterstaat. Diese Neudeutung des Fürsten fügt sich auch in den allgemeinen Trend der DDR-Geschichtsschreibung in den 1970er Jahren ein: Durch einen Paradigmenwechsel wurden zumindest vermeintlich progressive Fürsten und ihre Höfe zum kulturellen Erbe erklärt. Eine Abgrenzung des scheinbar friedlichen Fürsten gegenüber dem expansiven Nachbarn kam daher sehr gelegen. Dieses Bild vom Fürsten Franz als Kritiker Preußens und als Friedensfürst wurde als programmatischer Gegenentwurf auch nach Ende der DDR umstandslos weiter tradiert und bestimmt bis heute weitgehend das Bild des Fürsten. Erst in den vergangenen Jahren haben es insbesondere Michael Niedermeier und Paul Beckus unternommen, auf die weiterhin sehr engen Kontakte der beiden Häuser hinzuweisen. Paul Beckus hat dabei auch die große Bedeutung der zahlreichen legitimen wie illegitimen Nachkommen der Fürsten von Anhalt-Dessau in preußischen Armeediensten hervorgehoben, dies aber seinerseits noch nicht eigens untersucht. Er beschränkte sich auf die Erforschung der Mitglieder des Hofstaates von Anhalt-Dessau.
Quellen
Ein umfangreicher Korrespondenzbestand der gennannten Personen des Hauses Anhalt-Dessau ist im Landeshauptarchiv Sachsen Anhalt in der Abteilung Dessau, der bis jetzt noch nicht systematisch ausgewertet worden ist. Die Analyse der Korrespondenzen erscheint also aus mehreren Gründen notwendig. Da es sich hier um ein Desiderat der Forschung handelt, müssen also zunächst systematische Grundlagen durch Erschließung der gesamten Korrespondenz gelegt werden. Allein der Briefverkehr der fünf Söhne (Prinzen) Leopolds I. mit Friedrich II. umfasst ca. 3.000 Briefe. Dabei wurden nur die Briefe von Friedrich II. an die jeweiligen Söhne gezählt. Weiterhin müssen also auch die Antworten der Söhne erschlossen werden. Hinzu kommen noch die Korrespondenzen der Reichgrafen, Herren von Anhalt und derer von Berenhorst.